Nachdem in den achtziger Jahren Siegfried Bufe schon einmal
schlaglichtartig die Schmalspurbahnen in den ehemaligen deutschen Gebieten des
heutigen Polen beleuchtete, scheinen diese Bahnen mit der Annäherung Polens an
Europa in das Blickfeld der deutschen Fachöffentlichkeit zu kommen.
Die
Ursachen dafür mögen zahlreich sein, spätestens das Ende der überwiegenden
Anzahl dieser Strecken zum Jahresende 2001 hat diese jedoch aus der Stille
geholt.
Dem
ARGE-S-Mitglied Reinhard Richter ist mit der Monographie über die Westpreußischen
Kleinbahnen Aktiengesellschaft, der späteren Gdanska KD, eine Fundgrube für
die Freunde schmalspuriger Eisenbahnen zu verdanken.
Durch
eine unendliche Fleißarbeit konnte die Entwicklung des Schmalspurnetzes im
Weichselwerder von einer Rübenbahn bis hin zu einem Schmalspurnetz von 315 km Länge
unter Nutzung vielfältiger, oft nicht einfach zu beschaffender Quellen
rekonstruiert werden. Von besonderem Interesse für Modellbahner sind die ausführlichen
Streckenbeschreibungen, welche mit Gleisplänen, betrieblichen Abläufen und
einigen Gebäudeskizzen sowie vielen Fotos illustriert sind.
Einige der vorgestellten Bahnhöfe warten
geradezu darauf, als Anregung für ein Modell zu dienen. Dabei sind die beiden
Dreiecksbahnhöfe Steegen (Stegna) und Lindenau (Lipinka Gd.) sowie die
Bahnhöfe Groß Lichtenau (Lichnowy) und Kalthof (Malbork-Kaldowa Wask.) mit
ihren Gleisdreiecken besonders anregend für „Planungsspiele“. Auch die
vielen technischen Besonderheiten des Kleinbahnnetzes, wie die Fähre über die
Weichsel mit der Deichüberquerung und die Drehbrücke über die Elbinger
Weichsel bei Fischerbabke (Rybina Gd.) werden umfassend dargestellt.
Der
„Betriebsbahner“ unter den Lesern findet viele Anregungen zur
vorbildgerechten Abwicklung eines Kleinbahnbetriebes. Betriebsabläufe und
eingesetzte Betriebsmittel werden in den entsprechenden Abschnitten ausführlich
beschrieben.Das
Fazit: Ein für Schmalspurfreunde nur zu empfehlendes Buch, welches in keiner
Bibliothek fehlen sollte. Die 35 € sind eine lohnenswerte Investition.
Besuch bei der Zulawska KD im Juli 2002
Leider
erschien das Buch nach der entgültigen Einstellung des Verkehrs auf dieser
interessanten Bahn im Herbst 1996 und des Beschlusses zu entgültigen
Liquidation der Bahn im Jahre 1999. Damit hat dieses Buch ein wehmütiges Ende.
Doch
in Ergänzung des dieses Buches gibt es nun hoffnungsvolle Neuigkeiten zu
vermelden. Zumindest die Strecke Tiegenhof (Nowy Dwor Gd.) – Steegen (Stegna)
sowie die Küstenstrecke Rechtes Weichselufer (Prawy Brzeg Wisly) – Stutthof (Sztutowo)
haben Aussicht auf eine Zukunft im Interesse des zunehmenden Tourismus. Diese
Strecken wurden von der Gemeinde Stegna (Steegen) übernommen und wurde unter
Mithilfe eines Vereins von Eisenbahnfreunden aus Gdansk erfolgreich reaktiviert.
Dieses
Vorhaben war nach 6 Jahren der Betriebsruhe
und der Verschrottung aller Fahrzeuge nicht ganz einfach.
Nachdem am 27. Mai 2002 mit der Lxd2 325
und einem Personenwagen die ersten Fahrzeuge eintrafen, besteht der Fahrzeugpark
heute schon aus zwei betriebsfähigen Dieselloks, mehreren rumänischen
Personenwagen, einem Sommerwagen und verschiedenen Dienst-, Güter- und
Rollwagen.
Auf Einladung eines polnischen
Eisenbahnfreundes hatte ich am 22. Juli 2002 Gelegenheit einen Arbeitszug zur
Befahrbarmachung der Strecke in Richtung Stegna zu begleiten. Hauptaufgabe war
die Überprüfung der Drehbrücke in Rybina. Diese musste erst von verschiedenen Überbauten
befreit und verriegelt werden. Damit konnte unser Arbeitszug erstmals nach 6
Jahren diese interessante Brücke befahren.
Eine weiter Aufgabe war die Säuberung
der Bahnübergänge sowie das Instandsetzen der Weichen.
Das
die polnischen Eisenbahnfreunde und die Gemeinde Stegna ihren Plan trotz aller
Schwierigkeiten weiterverfolgen, zeigen die Eröffnungsfahrt Nowy Dwor Gd. (Tiegenhof)
– Stegna (Steegen) am 15. 8. 2002.
Bleibt
den Betreibern der jetzt Zulawska KD genannten Teilstrecke der ehemaligen
Westpreußischen Kleinbahn zu wünschen, dass die Ideen eines Touristenbetriebes
auf der interessanten Strecke im nächsten Jahr Wirklichkeit werden und auch den
einen oder anderen deutschen Schmalspurfreund anlocken.
Saisonverkehr im Sommer 2003
In der Zeit der polnischen Sommerferien wurde der Betrieb
auf der Strecke Nowy Dwor Gdanskie - Stegna und Prawy Bzreg Wisly -
Sztutowo wieder aufgenommen. Nachdem in den ersten Wochen ein morgendliches
Zugpaar von Nowy Dwor Gd. nach Stutowo gefahren wurde, welches
anschließen auf der Küstenstrecke dreimal pendelte und abends nach Nowy
Dwor zurückkehrte.
Nach 2 Wochen wurde die Lastrichtung gewechselt. Das
morgendliche Zugpaar verkehrte nun nach Prawy Bzreg Wisly.
Nach eigener Beobachtung wurden die Züge mit gut
aufgearbeiteten Bxhip-Wagen (gelb-rot - Werbung für den Sponsor?) und
einem Sommerwagen von den Urlaubern auf der Küstenstrecke gut angenommen.
Als Lokomotiven standen die Lxd2 315 und ab 24. 07. 2003 die mustergültig
aufgearbeitete Lxd2 325 zur Verfügung.
Die Bahnhofsgelände von Stegna und Nowy Dwor Gd. waren
gesäubert und die größten Schäden waren beseitigt. Im Bahnhofsgebäude
von Stegna war ein preiswerter aber guter Imbiss eingezogen.
Nach eigener Beobachtung kann die Schmalspurbahn in den
kommenden Jahren durchaus eine Zubringerfunktion neben der zumindest an
Wochenenden total verstopften einzigen Straße übernehmen.
Dem trägt der Betreiber mit der Beschaffung neuer
Fahrzeuge - der MBxd2 212 ist aus Elk zurückgeholt worden und der
Fahrplan für die Saison 2004 weist an Wochenenden drei zusätzliche
Zugpaare zwischen Nowy Dwor Gd. und Jantar aus.